protokoll/ „Ich schreibe Love Songs über queere Liebe, weil es zu wenig davon gibt.“

Ebow rappt über Feminismus. Über soziale Ungerechtigkeit. Über Migration. Auch Liebe ist für die deutsch-kurdisch-alevitische Rapperin ein Politikum und zugleich themengebend für ihre neue EP „EBOW 400“.

Berlin// Protokoll// F// Joanna Legid// heartxwork

Ebow ist nicht das Mädchen, das versucht, sich aus den Zwängen einer streng religiösen Familie frei zu rappen. Sie studiert Architektur, nicht die Straße. Sie redet wie sie rappt. Sie ist vorlaut, ist überlegt, ist sanft, ist stark, ist schüchtern. Die Abwesenheit von Stereotypen spiegelt sich auch in ihrer Musik wider. Für HipHop-Festivals sei sie nicht HipHop genug, für andere Sparten zu experimentell oder zu hiphoplastig. Im Interview erzählt sie, dass es aus diesem Grund sehr lange gedauert hätte, eine Booking-Agentur zu finden. „Ich glaube, dass die Industrie keine Schublade für mich hat.“

Ebow rappt seit sie 13 Jahre alt ist. Mal hieß sie „Queen Size“. Mal „Caramel“. Erst mit 18 Jahren legte sie sich sich auf Ebow fest. „Ebow“ sei eigentlich die dörfliche Aussprache ihres Namens „Ebru“. Ihre Oma und ihr Papa hätten sie immer so gennant, erzählt sie. Ebow ist mit ihrer kurdisch-alevitischen Familie in München aufgewachsen. Ihre Mutter war im Alevitischen Verein für Europa tätig. „Ich habe gesehen, wie sie vor 10.000 Menschen Reden hielt. Das hat meine Musik geprägt. Für mich ist es immer wichtig gewesen, Musik zu machen, die politisch ist.“ Auf ihrem letzten Album „Komplexität“ (2017) rappt Ebow ihre Meinung zu Migration, Waffenpolitik, Feminismus, soziale Ungerechtigkeit, aber auch zu Social Media und Dating. Roh. Ungeschönt. Ehrlich? Zum Teil. „Ich habe lange versucht, zu verheimlichen, dass es in meinen Songs über Dating, um Girls ging.“ Bis jetzt.

Ebow über ihre neue EP „EBOW 400“ (1.August 2019):

„’EBOW 400′ ist das erste musikalische Werk, das ich unter meinem eigenen Label ‚ALVOZAY‘ release. Ich glaube, dass viele Frauen in der Musikindustrie mit den alten Strukturen zu kämpfen haben. Man sitzt mit Männern an einem Tisch, die für einen reden wollen, aber die eigene Perspektive nicht nachvollziehen können. Mich davon zu befreien, hat lange gedauert. Bei der Umsetzung dieser EP hatte ich endlich alle Freiheiten.

Ich habe mich für Love Songs entschieden, weil ich denke, dass wir sie brauchen. Wenn wir verliebt sind oder Liebeskummer haben, sind unsere Gefühle und Gedanken im Ausnahmezustand. In dieser Situation einen Love Song zu hören, der genau erklärt, was man empfindet und denkt, hilft dabei, die innere Ruhe wiederzufinden, die Gedanken und Gefühle zu ordnen.

Ich schreibe Love Songs über queere Liebe, weil ich finde, dass es davon zu wenig gibt. Auch ich habe lange versucht, zu verheimlichen, dass es in meinen Songs um Girls geht, weil ich Angst vor Ausgrenzungen hatte. Ich habe immer alles so umgeschrieben, dass die Lyrics am Ende an einen Typen gerichtet waren. Jetzt bin ich 29 Jahre alt und an einem Punkt, an dem ich niemandem mehr etwas vormachen möchte. Bei meinem letzten Album habe ich es relativ offen gelassen. Kein Gender benannt. Jetzt dachte ich: ‚Go for it‘. Die EP bedeutet mir sehr viel, weil ich mich getraut habe.“

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